künstlerin

Was bedeutet es Künstlerin zu sein und Kunst zu machen?

in diesem Artikel zeige ich dir ein paar Beispiele aus meinem Alltag und den von anderen Künstlern und räume etwas mit dem Mythos über den einsamen Künstler in seinem Atelier auf.

„Meine Güte wie toll ist das denn, einfach den ganzen Tag, das zu machen, was du am liebsten tust und an deinem Kunstwerk arbeiten“ sagte eine Teilnehmerin in einem Kurs zu mir mit Bewunderung und gleichzeitig Sehnsucht in den Augen. Damals stand ich noch eher am Beginn meiner künstlerischen Karriere und war vorwiegend damit beschäftigt meine 7 Jobs zusammen zu halten und dazwischen auch noch meine Kunst zu machen.

Mein Leben war weit entfernt von dem Bild, den viele von Künstler/innen haben, der großen Freiheit und nichts zu machen als Kunst. Es gibt Künstler, die so leben. Das ist aber sehr selten und gilt mehr für Kunststudenten an einer Akademie oder Künstler, die schon einen großen Namen haben oder einen Finanzier zu Hause.   Aber selbst dann ist noch vieles andere neben der Kunst zu tun.

Kurz zusammen gefasst: die Realität als Künstler ist ein andere.

 

Die meisten Künstler, die ich so kenne, jonglieren immer diverse Bälle zur gleichen Zeit, je nachdem, womit sie ihren Unterhalt finanzieren. Aber selbst, wenn der sich aus der Kunst oder aus einer anderen Quelle speist, gibt es auch noch immer viel zu tun, um an Ausstellungen zu kommen, um sichtbar zu werden, um etwas dazu zu lernen, um seine Werke realisieren zu können. Manchmal braucht es neue Techniken, die man noch nicht kennt oder man muss Bilder rahmen lassen, sich um technische Details der Präsentation kümmern und vieles mehr.

Der Prozess des Kreierens nimmt oft sehr viel weniger Zeit ein als der ganze Rest.

Ich habe Zeiten, wo ich sehr wenig Kunst mache, aber trotzdem fühle ich mich immer als Künstlerin, denn ich denke oft nach über die Kunst an sich und auch über meine Kunst. Ich lass mich von meiner Neugierde leiten und oft kommen mir dadurch Ideen aus ganz anderen Sektoren. Ausstellungen sind auch oft eine Quelle der Inspiration und mein Denken und Fühlen ist sehr intensiv mit meiner Kunst verbunden. Also auch wenn ich nicht direkt im Atelier bin, arbeite ich innerlich an meinen künstlerischen Projekten, bewusst oder unbewusst.

Bist du neugierig geworden, wie ich so lebe, dann schau dir doch mal den Blogartikel an über mein Leben in Italien.

 

Beispiele, was Künstler*innen so den lieben langen Tag machen:

 

1. Networking:

Eines der wichtigsten Dinge als Künstler ist ein gutes Netzwerk zu kreieren. Das bedeutet sich andere Künstler kennen lernen,

Wo lerne ich die kennen:  in Kursen, die du besuchst, in Veranstaltungen, Ausstellungen, auf Vernissagen, im Bekanntenkreis fragen, wer kennt jemanden, natürlich in Berufsverbänden, wenn man denn da aufgenommen wird, In online Gruppen.

Ich habe fast alle Ausstellungen bekommen über mein Netzwerk. Künstlerische Freund*innen haben mich eingeladen zu irgendwelchen Ausstellungen und ich habe natürlich auch andere eingeladen. Netzwerken ist immer ein Geben und Nehmen. Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus.

Das Netzwerk dient dir mit Gleichgesinnten was zu machen und sich auszutauschen, praktischen Rat zu bekommen und zu geben und eventuell auch mal was Gemeinsames planen.  Ganz wichtig ist das Netzwerk dann später, wenn du ausstellen möchtest. Denn man wird am ehesten von Künstlerkollegen eingeladen oder Kuratoren, die dich kennen.

 

2. Recherche

Es kommt sehr drauf an, was du als Künstler arbeitest und wo du stehst mit deiner Kunst, wie viel Zeit deine Recherche in Anspruch nimmt.

Je länger ich dabei bin, desto eher habe ich Projekte, wo ich mich auch theoretisch informiere und recherchiere.  Aber ein Recherche besteht auch drin zu schauen, was haben andere Künstler zu einem ähnlichen Thema gearbeitet.  Manchmal gehe ich aber auch tiefer in ein Sachgebiet. Z. B. als mir die Idee kam, ich wollte Drucke machen zu Insekten, die am Aussterben sind. Da habe ich natürlich zu diesem Thema erstmal geforscht.

Ex carteria Latina in Rom 2022 “ The world is fragile and so am I“

 

Recherchen können auch Material untersuchen sein. Für eine große Installation habe ich z.B. im Vorfeld viel unterschiedliche Materialien ausprobiert. Es ging darum Teile von Ornamenten von den Langobarden in die dritte Dimension zu transportieren mit einem Material, das ich biegen und einfach manipulieren kann aber gleichzeitig dreidimensional ist. Ich habe u. a. Netze, die für die Wurstherstellung benutzt werden mit Cellophan gefüllt.

Kunstverein Buxtehude 2010 „Longobardische Knoten“

künstlerische Materialien

 

Selbst wenn du sehr intuitiv malst z. B.  wirst du manchmal recherchieren nach neuen Materialien oder nach anderen Künstlern  oder nach etwas, was dich inspiriert, Gedichten, Musik und ähnliches.

Manchmal recherchieren wir auch ohne wirklich zu wissen, dass wir es tun einfach von unserer Neugierde beflügelt.

 

3. Das künstlerische Arbeiten:

 

Das nimmt einen großen Raum ein und kann viele unterschiedliche Momente haben.

Kleine Skizzen, die man am Küchentisch macht, bis hin zu dem eigentlichen am Werk arbeiten. Manchmal sind auch da vorher Versuche erforderlich, wie Material proben usw.

Wenn ich male, ist der Beginn oft einfach, aber dann stockt es. Das gibt es Zeiten, wo ich vor dem Bild stehe und einfach nur es anschaue oder fotografiere und es mir auf dem Computer betrachte. So bekomme ich Distanz und verstehe besser, was ich da gemacht habe und wie es weiter geht. Auch das ist ein wichtiger Teil der Arbeit.

Also die künstlerische Arbeit funktioniert nicht unbedingt, wenn man sich 8 Stunden von 9 bis 17 Uhr ins Atelier setzt und hofft, dann konstant zu arbeiten. Es gibt Künstler, die können das wie z. B. Neo Rauch der dt. berühmte Maler der jeden Morgen um 8 in seinem Atelier steht und malt und um 17.00 Uhr mehr oder weniger fertig ist. Ich würde sagen, das ist eher die Ausnahme.

Kreiere dir Routinen und nimm dir regelmäßige Zeit

Denn einfach im Studio sein oder an deinem kreativen Platz, auch wenn du nicht produktiv bist, ist wertvolle Zeit.  Es geht immer wieder darum, einen fruchtbaren Boden zu schaffen für die eigene Arbeit. Dazu gehören auch Pausen z, B. sich entspannen, was Schönes machen deiner Neugierde nachgehen und auch mal über den Gartenzaun schauen!

 

4. Der Rest des Lebens

Es gibt sicher Zeiten eines*r jeden*r Künstler*in, wo das Leben einen stärker fordert als die künstlerische Arbeit. Wenn man freischaffend ist, besteht natürlich immer die Gefahr, dass alles andere wichtiger ist als die eigene Arbeit. Ich glaube Frauen sind davon besonders betroffen. Männer schaffen es oft viel besser sich da abzugrenzen. Das gilt vor allem auch für die Familie. Mütter z. B. haben oft ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihre Kunst machen, weil sie dann ja keine Zeit für die Kinder oder den Partner haben. Wenn irgendwas passiert, ist man zack weg von der eigenen Arbeit.

Die Kunst besteht darin die eigene Arbeit wertzuschätzen und Prioritäten zu setzen, wie eine bezahlte Arbeit,

Anderseits ist es aber auch wichtig notwendige Zeit für anderes einzukalkulieren. Denn mit einem ewig schlechten Gewissen, bist du auch nicht sehr kreativ.

Für alle die englisch lesen hier ein kleiner Buchtipp. Das ist eine amerikanische Bildhauerin, die in ihren Tagebüchern beschreibt, wie sie zwischen den Anforderungen der Familie, ihrer künstlerischen Arbeit und was noch so alles anliegt hin und her schaukelt.

Das Buch ist von Anne Triutt Daybook

Auch hier helfen Routinen und Abmachungen mit dir selbst.

Noch ein extra Tipp, um in die Welt der Großen einzutauchen

Ein weiteres Buch, was einen kleinen Einblick gibt bei den ganz Großen. Ein sehr interessantes Buch von einer amerikanischen Kunsthistorikerin geschrieben und sie begleitet mehr oder weniger diverse sehr berühmte Künstler in drei unterschiedlichen Situationen. Mal privat, mal in der eigene Ausstellung oder bei öffentlichen Begegnungen. Kommt auf den Künstler an und wie sie Zugang hatte. Es heißt: 33 Künstler in 3 Akten von Sarah Thorton

Ich freue mich wie immer auf Fragen oder Kommentare zu diesem Blogartikel