Die Künstlerin, die mich am meisten beeinflußt hat, Luise Bourgeois

Als Künstler*in kreiert man nicht aus dem luftleeren Raum, sondern ist immer stark beeinflußt von anderen Künstler*innen, die den Weg vor einem gegangen sind. In meinem Fall sind es diverse, aber eine hat mich eigentlich von Anfang an begleitet. Das ist Luise Bourgeois, von der ich dir heute erzählen will. Ich finde Luise Bourgeois auch deshalb besonders interessant, weil sie so richtig berühmt erst mit 70 geworden ist. Sie hat bis zu ihrem Tod gearbeitet und ausgestellt.

Das ist in der Kunstwelt etwas sehr besonderes, denn auch hier gilt gerade für Frauen: Frischfleisch wird bevorzugt! Wenn man sich nicht einen Namen als junge Frau gemacht hat, was schon schwierig genug ist, dann kann man es als Alte ganz vergessen. Ausnahmen bestätigen die Regel. In letzter Zeit tauchte auch immer mal wieder ein Name einer etwas älteren Künstlerin auf.

Wie es zu diesem Artikel kam:

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade „Weibliche Role-Models – wer uns inspiriert und ermutigt“ des Onlinemagazins LEMONDAYS.  Hier findest du viele sehr fundierte Artikel zum Thema Wechseljahre und alles, was Frauen über 40 so interessiert. Schau da einfach mal rein.

Eine Sendung im NDR zu Luise Bourgeois vor vielen Jahren:

„ Knall, rums“ und etwas fällt zu Boden und zerbricht. So begann eine Sendung vom NDR über Luise Bourgeois. Sie hat eine ihrere Arbeiten aus Ton genommen und sie auf den Boden geknallt vor laufender Kamera.  In dem ganzen Interview zeigt sie sich als äußerst kratzbürstig und behauptet Dinge, die ich ihr nicht abgenommen habe. Z. B. Sie würde immer ihre Löffel vorher an der Gasflamme desinfizieren und nur Marmelade essen.

In dem Interview zeigt sie sich als alte Hexe, der man lieber nicht vertraut aber respektiert.  Sie war da schon an die 90 Jahre alt.

Link zum Photo Foto Christopher Christopher Felver/Corbis

Ich war sehr beeindruckt von dieser Unabhängigkeit und das sie nicht beeindrucken wollte zumindestens nicht positiv, ganz im Gegenteil.  Sie war da allerdings schon weltberühmt.

Aber fangen wir von vorne an.

Sie ist 1911 geboren in der Nähe von Paris und ist 98 Jahre alt geworden. Ab ihrem 30. Lebensjahr hat sie in New York gelebt, wo sie auch gestorben ist. Bis zum Ende ihres Lebens hat sie künstlerisch gearbeitet und auch ausgestellt.  Wenn du Einzelheiten zu ihrem Leben erfahren willst und auch zu ihrem Werk schau dir mein YouTube an. Da geh ich da noch näher drauf ein.

Warum ist Luise Bourgeois mein „Role-Model“ ?

  1. In ihrer Arbeit hat sie vor allem ihre eigenen Emotionen ausgedrückt. Oder besser sie hat ihre Traumen und Ängste in ihrem künstlerischen Werk abgearbeitet.  Das Beeindruckende dabei ist allerdings, dass sie viel Raum für die eigenen Emotionen des*r Betrachters*in offen läßt.
  2. Sie hat ihr Leben lang  als Künstlerin gearbeitet, ohne die Anerkennung zu bekommen, die sie eigentlich verdient hätte. Durch die Arbeit ihres Mannes kannte sie viele sehr bekannte Künstler, aber sie wurde nicht wirklich ernst genommen. Erst mit Anfang 70 hatte sie den internationalen Durchbruch geschafft und hat dann noch mal ihrem Werk eine neue Wende gegeben. Denn jetzt hatte sie die Möglichkeit große und kostspielige Installationen zu machen (The cells).
  3. Sie hat mit den vielfältigsten Materialen gearbeitet und diese immer wieder gemixt. Sie hat einfach das benutzt, was zu der Arbeit passte.
  4. Sie hat bis ins hohe Alter gearbeitet und immer wieder neue Ansätze gefunden. Als sie schon sehr alt war über 80 hat sie mit Materialien gearbeitet, die sie selber noch händeln konnte.
  5. Sie hat auch immer wieder sich zeichnerisch ausgedrückt und zwar nicht im klassischen Sinn als Vorbereitung für ein bildhauerisches Werk sondern als eigenständige Arbeiten.

1. Emotionen und Verarbeitung von Kindheitserlebnissen

Das Thema das sich bis zum Ende durch ihre Arbeit zieht, ist ihr Kindheitserlebnis mit ihrem Vater, der die häusliche Gouvernante zu seiner Geliebten macht. Sie fühlt sich von ihrem Vater betrogen und versteht ihre Mutter nicht, die nichts dagegen tut. Sie identifiziert sich mit ihrer Mutter, die zu diesem Zeitpunkt schon sehr krank ist. Die Geliebte ihres Vaters ist gleichzeitig ihre Freundin und Vertraute. So gibt es in ihrer Arbeit viele Anspielungen auf Mänlichkeit und Weiblichkeit in ihrer Amivalenz, sich gefangen fühlen, von Obsessionen und Einsamkeit.

Zum Photo: To fall on deaf ears, 1991 Scanned from original slide provided by the Inge Morath Foundation, August 27, 2007

 

Aber auch ihre Mutter spielt immer wieder eine Rolle in ihrer Arbeit z. B  in der großen Spinne, die sie „Maman“ nennt. Spinnen sind für sie positiv besetzt und haben was beschützendes. Spinnen machen Netzte und können diese auch reparieren. Etwas was sie aus ihrer Kindheit sehr gut kennt, denn die Mutter hat Gobelins  repariert und Luise hat ihr dabei geholfen. In den Cells, den zellartigen Installationen kommen ihre Kinderängste sehr stark zum Ausdruck. Es sind Räume, in den man sich nicht wohl fühlt, Räume voller Angst und Schmerz aber gleichzeitig sehr ästhetisch.

 zum Photo: „Maman“ Hamburger Kunsthalle 2012 Von Soluvo – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=60027577

Zu 2. Später Erfolg

Wenn man als Künstler*in nicht den Erfolg bekommt, den man gern hätte, kann es manchmal sehr schwer sein weiter zu arbeiten. Denn Kunst ist ja auch eine Art der Kommunikation und ich möchten als Künstlerin gern auch gehört und gesehen werden. Mich persönlich hat das vor vielen Jahre in eine fundamentale Krise geführt, sodaß ich über Jahre nicht mehr künstlerisch arbeiten konnte.

Um so bewundernswerter finde ich, dass sie wirklich immer gearbeitet hat auch ohne große Anerkennung. Sie hat zwar immer auch ausgestellt und auch an guten Orten, denn sie war ja gut vernetzt. Sie hat in einem Ambiente verkehrte, das ganz anders in der Kunstwelt dastand. Es war sicher sehr schmerzhaft zu sehen, wie so mancher männliche Kollege an ihr vorbei zog.  Nicht nur das. Einige dieser berühmten Künstler haben sicher an ihrem Esstisch gesessen, ohne auch nur ein Wort über ihre Kunst zu verlieren. Denn ihr Mann war ein sehr bekannter Kunstkritiker und verkehrte in entsprechenden Kreisen.

Das kann ausgesprochen kränkend sein gerade von Leuten, aus der Kunstszene. Sie hat aber auch immer wieder Anerkennung bekommen und hat auch viel unterrichtet an verschiedenen amerikanischen Universitäten, Prat institut, Brooklyn College und andere.

Den großen Durchbruch hatte sie als sie im MoMa ein Retroperspektive bekommen hatte  im Jahr 1982 . Da war sie gerade 70 Jahre alt geworden. Danach ist sie dann international berühmt werden und hat an zahlreichen großen internationalen Ausstellungteilgenommen wie Dokumenta in Kassel, Bienale von Venedig und vieln anderen bemerkenswerten Orten.

Sie hat im Zuge dessen noch mal ein ganz neues Oeuvre entwickelt. Nämlich die Zellen (The cells). Das sind so Art große Käfige in die man reinschauen kann, ohne sie zu betreten oder nur in Ausnahmefällen und das häusliche Drama voyeuristisch betrachten kann. Natürlich bleibt vieles offen und jeder kann seine eigenen Fantasien dazu entwickeln.

 Zum Photo: Domestic Incidents Tate Modern Turbine Hall 2006, Loz Flowers https://www.flickr.com/photos/blahflowers/188884994/sizes/l/in/photostream/

Zu 3 und 4 Sie hat sich mehrfach in ihrem Leben neu erfunden.

In jungen Jahren hat sie viel gemalt, gezeichnet und auch gedruckt. Dann kam sie zur Skulptur. Die großen Installationen sind erst mit ihrer Berühmtheit entstanden. Im hohen Alter hat sie dann wieder mit Stoff gearbeitet. Sozusagen back to the roots. Denn das hatte sie ja zu Hause gelernt, mit Stoffen und Goblins zu arbeiten und diese zu reparieren.

Ich habe eine ihrer letzten Ausstellung in Neapel im Museum  Capodimonte gesehen, das war 2009. Dort hat sie u.a. diese kleinen Stoffpuppen ausgestellt, sehr klein und sehr verletzlich. Sie standen vielleicht 20 cm groß oder auch kleiner vor diesen riesigen Bildern des Barocks, mit Darstellungen der Madonna. Diese kleinen Puppen zeigten die ganze weibliche Verletzlichkeit. Da habe ich eigentlich erst die Madonnenbilder verstanden. Mich hat das sehr beeindruckt. Ein riesen Saal mit vielleicht zwei solcher Figuren neben 10 großen Bildern.

LInk zum Foto

Ich denke sie hat diese Stoffpuppen auch deswegen gemacht, weil es das war, was sie noch selber machen konnte und es die weibliche Verletzbarkeit so auf den Punkt brachte. Die großen Installationen sind dann eher mit Hilfe von anderen entstanden nach ihren Anweisungen.

4. Sie hat ein großes zeichnerisches Werk hinter lassen.

Sie hat immer wieder gezeichnet und zwar das, was ihr gerade einfiel. Es ist nicht immer unbedingt mit dem bildhauerischen Werk verbunden. Es gibt eine ganze Serie „schlaflose Nächte“. Offensichtlich hat sie Nachts gezeichnet, wenn sie nicht schlafen konnte. Es gibt auch andere Zyklen zu unterschiedlichen Themen z.B. zu ihrer Schwester.

Ich finde das so interessant, weil auch für mich die Zeichnung und auch das Drucken ziemlich eigenständig neben meinem dreidimensionalem Werk besteht. Ich zeichen oft aus einer Laune heraus oder einem Bedürfniss, mich auszudrücken, eine Emotion oder eine Bewegung oder einfach Lust auf das Zeichnen. Bei vielen Bildhauer*innen ist es sehr angelehnt an das bildhauerische Werk.

Es gibt natürlich sehr vieles Geschriebenes zu ihrem Werk.  Deshalb wollte ich mich hier auf meine ganz persönliche Beziehung oder besser ihren Einfluss auf mich beschreiben.  Denn sie ist immer wieder ein Vorbild für mich und auch ein Role-Model als Künstlerin. Auch ich erfinde mich in meiner Arbeit immer wieder neu und gehe einfach weiter, egal wie alt ich bin.  Als ältere*r Künstler*in hat man natürlich eine Handschrift entwickelt und man greift auf diesen Fundus zurück. Das muss aber nicht heißen sich immer wieder zu wiederholen sondern ganz im Gegenteil. Man keine weiter und tiefer einsteigen. Denn der Ausdruck und das eigene Sein haben ja kein Alter.

Zum Abschluss möchte ich noch eine Buchempfehlung geben und zwar das Buch von Siri Hustvedt: gleißende Welt. Das ist ein hervorragender Roman und die Hauptfigur hat so einiges gemeinsam mit Luise Bourgeois.

Wenn du aber gern selber kreativ sein möchtest, was ja sowieso das beste ist, dann mache die ersten 6 Schritte in deine Kreativität.

Ich freue mich natürlich wie immer über Kommentare zu diesem Artikel.